Antrieb des Klimas – große Meereströmungen
> Die Meeresströmungen transportieren gigantische Mengen Wärme um den Globus. Damit sind sie eine der wichtigsten Schubkräfte des Klimas. Da sie ausgesprochen träge auf Veränderungen reagieren, werden die Auswirkungen des globalen Wandels langsam, aber über Jahrhunderte zu spüren sein. Schneller könnten Klimaveränderungen beim Wind und beim Meereis sichtbar werden.
Im Klimasystem spielt das Wasser eine zentrale Rolle. Je nach Salzgehalt und Temperatur hat es eine unterschiedlich hohe Dichte. Kaltes salziges Wasser ist schwer und sinkt in die Tiefe ab. Im Meer werden dadurch Millionen von Kubikmetern Wasser umgewälzt. Fachleute nennen dieses Phänomen, das in einigen wenigen polaren Meeresregionen auftritt, Konvektion. Durch die Konvektion sinkt das kalte Oberflächenwasser im Nordatlantik bis in etwa 2000 Metern Tiefe ab. Dort lagert es sich wie auf einem Plateau auf dem noch dichteren Tiefenwasser ab, das aus den antarktischen Regionen stammt. Dieses Tiefenwasser reicht bis hinab zum Meeresgrund. Während das kalte salzige Oberflächenwasser durch die Konvektion absinkt, strömt salziges Wasser aus benachbarten wärmeren Meeresgebieten aus Richtung Äquator nach. Dieses Wasser kühlt sich in der arktischen Luft ab und beginnt ebenfalls abzusinken, sodass die Konvektion nie zum Halt kommt. Zuvor nimmt es an der Meeresoberfläche Gase wie etwa Kohlendioxid auf und transportiert diese dann rasch in die Tiefe. Daher sind die Konvektionsgebiete auch die Meeresgebiete, in denen man den höchsten Anteil an Kohlendioxid findet. Die durch die Konvektion ins Meer gepumpten hohen Kohlendioxid-Konzentrationen lassen sich heute bis in Tiefen von etwa 3000 Metern nachweisen. Bis in 2000 Metern Tiefe wird das Kohlendioxid durch die Konvektion recht schnell transportiert. Der Weg weiter hinab dauert im Nordatlantik deutlich länger, da das Kohlendioxid und andere Gase nur über langsame Durchmischungsprozesse ins Tiefenwasser vordringen können.
Die Kälte und der hohe Salzgehalt sind die wesentlichen Kräfte der Konvektion. Sie reißen das dichte Wasser in den polaren Regionen hinab und treiben damit eine weltumspannende Konvektionsmaschine an – die thermohaline Zirkulation (thermo – angetrieben durch Temperaturunterschiede; halin – angetrieben durch Salzgehaltsunterschiede). Das kalte salzige Wasser sinkt vor allem in der Labrador- und Grönlandsee in die Tiefe, um dann Richtung Äquator und darüber hinaus zu strömen. Die Konvektion tritt demnach nur lokal begrenzt in den polaren Regionen auf und treibt die thermohaline Zirkulation an, die wie ein gigantisches Förderband den Globus umspannt. Auch der Golfstrom und seine Ausläufer werden letzten Endes durch die Konvektion und die thermohaline Zirkulation angetrieben. Zwar tragen auch die Winde mit zum Transport der Wassermassen bei, ihr Anteil daran ist aber deutlich geringer.
Doch wie entstehen in den Ozeanen eigentlich Wassermassen unterschiedlicher Dichte, die letztlich auch die Konvektion antreiben? Zu den wichtigsten Faktoren zählen die Lufttemperatur, die Verdunstung und der Niederschlag. In den polaren Konvektionsgebieten spielt darüber hinaus auch noch das Gefrieren des Wassers eine zentrale Rolle. Da Eis nur ungefähr 5 Promille Salz enthält, setzt es während des Gefrierens eine beträchtliche Menge Salz frei, wodurch der Salzgehalt in den umgebenden Meeresgebieten zunimmt und sich somit zugleich die Dichte des Wassers erhöht. Das kalte salzreiche Wasser ist so dicht, dass es bei der arktischen Konvektion bis in etwa 2000 Metern Tiefe absinkt. Dieses Wasser bezeichnet man als Nordatlantisches Tiefenwasser (North Atlantic Deep Water, NADW).
Das weltweite Förderband
Auch in den antarktischen Gebieten findet Konvektion statt. Hier entstehen jene Wassermassen, die aufgrund ihres noch höheren Salzgehalts bis ganz zum Meeresboden hinabsinken. Man bezeichnet sie als Antarktisches Bodenwasser (Antarctic Bottom Water, AABW), das am Meeresboden um den halben Globus bis hinauf in den Nordatlantik wandert. Das Antarctic Bottom Water ist also zugleich jenes Tiefenwasser, über dem sich das North Atlantic Deep Water während der Konvektion als mächtige Zwischenschicht einlagert. Das North Atlantic Deep Water entsteht in der Grönlandsee und der Labradorsee. Die untenstehende Abbildung zeigt schematisch den globalen Verlauf seiner Ausbreitung und den Rückstrom warmen Wassers in die oberflächennahen Schichten – das eindrucksvolle globale Förderband der thermohalinen Zirkulation. Das North Atlantic Deep Water und vor allem auch das Antarctic Bottom Water bleiben erstaunlich lange in der Tiefe: Wie man heute aus Datierungen von Tiefenwasser anhand radioaktiver Kohlenstoffisotope weiß, beträgt die Zykluszeit vom Abtauchen in die Tiefe bis zum Wiederauftauchen einige Hundert oder sogar bis zu etwa tausend Jahre.
Die meiste Zeit befindet sich das Wasser im kalten Bereich des thermohalinen Förderbands in der Tiefe, da die Ausbreitungsgeschwindigkeit dort aufgrund der höheren Dichte mit etwa 1 bis 3 Kilometern pro Tag gering ist. Die Menge des am Kreislauf beteiligten Wassers ist geradezu gigantisch. Sie beträgt 400 000 Kubikkilometer, was etwa einem Drittel des gesamten Ozeanwassers entspricht. Damit ließe sich ein Becken von 400 Kilometern Länge, 100 Kilometern Breite und 10 Kilometern Tiefe füllen. Pro Sekunde transportiert das ozeanische Förderband etwa 20 Millionen Kubikmeter Wasser, was fast 5000-mal mehr ist, als an den Niagarafällen in Nordamerika in die Tiefe rauscht.
Die Angst vor dem Versiegen des Golfstroms
Lange haben Experten diskutiert, inwieweit die thermohaline Zirkulation und mit ihr die Umwälzbewegung im Atlantik durch den Klimawandel beeinflusst werden könnten. Immerhin könnte sich die Konvektion in den höheren Breiten durch die anthropogene, also vom Menschen verursachte Erwärmung der Atmosphäre und eine damit verbundene Verringerung der Dichte des Oberflächenwassers abschwächen. Diese Dichteabnahme ist vor allem auf das Aussüßen des Wassers im Nordatlantik zurückzuführen, wobei der Klimawandel vermutlich auf mehreren Wegen die Süßwasserzufuhr verstärken und damit auf die Konvektion und die thermohaline Zirkulation einwirken würde. Zum einen dürften die Niederschläge über dem Meer und über dem Festland zunehmen. Zum anderen wird Süßwasser vermehrt durch das Abschmelzen der Gletscher ins Meer gelangen. Außerdem bildet sich weniger Eis, wenn es wärmer wird, sodass sich die Salzkonzentration im Oberflächenwasser nur in geringem Maße erhöht.
Die heutigen Klimamodelle gehen von einer Abschwächung der Umwälzbewegung im Atlantik bis zum Ende dieses Jahrhunderts um etwa 25 Prozent aus. Damit würde zugleich auch weniger Wärme aus den Tropen und Subtropen nach Norden transportiert. Eiszeitszenarien, wie sie schon oft in der Literatur oder in Kinofilmen gezeichnet wurden, sind trotzdem völlig unangebracht, selbst dann, wenn die Zirkulation völlig zusammenbrechen sollte. Denn die daraus resultierende verringerte Wärmezufuhr wird bei Weitem durch die künftige globale Erwärmung aufgrund des verstärkten Treibhauseffekts wettgemacht. Die Erde heizt sich durch die isolierende Wirkung des Kohlendioxids in der Atmosphäre auf. Diese Temperaturzunahme würde den verringerten Wärmetransport aus den Tropen nach Norden im Bereich des Nordatlantiks ausgleichen und auf den angrenzenden Landgebieten sogar deutlich übertreffen. Die Wissenschaftler sprechen daher im Zusammenhang mit dem menschlichen Einfluss auf das Klima von einer „Heißzeit“ und keineswegs von einer „Eiszeit“.
Wirbel im Meer – wichtige Klimakomponente
Wärme wird im Meer nicht nur durch das große globale Förderband der thermohalinen Zirkulation, sondern auch durch Wirbel transportiert, ähnlich wie die Tiefdruckgebiete in der Atmosphäre. Im Vergleich zu den oft mehrere Hundert Kilometer breiten Tiefdruckgebieten sind sie jedoch deutlich kleiner. Diese sogenannten mesoskaligen Wirbel entstehen, wenn Wasser zwischen Gebieten mit großen Dichte- oder Temperaturunterschieden strömt. Sie sind auf Satellitenaufnahmen deutlich zu erkennen. Messungen zeigen, dass sie nicht nur an der Meeresoberfläche wie beispielsweise im Bereich des Nordatlantiks auftreten, sondern sich auch in ausgesprochen großen Tiefen von einigen Tausend Metern wie etwa vor Brasilien bemerkbar machen. Diese Tiefseewirbel spielen aufgrund ihres starken Einflusses auf die großräumigen Wärmetransporte für das langfristige Klimageschehen ebenfalls eine wichtige Rolle.
Wechselhaft und dynamisch – Windeinfluss
Neben der Konvektion regen auch die Winde die Strömungen im Meer an. Zusammen mit der ablenkenden Kraft der Erdrotation (Corioliskraft) und der Gestalt der Meeresbecken verleiht der Wind dem weltweiten System der Oberflächenströmungen seine charakteristische Form. Besonders auffällig sind Wirbel, die sich über ganze Meeresbecken, etwa zwischen Amerika und Europa, erstrecken. Zu diesen Oberflächenströmungen gehören auch der Golfstrom im Atlantischen Ozean, der durch den Wind und die thermohaline Zirkulation zugleich angetrieben wird, sowie der Kuroshio im Pazifischen Ozean, dessen Intensität mit der Tiefe abnimmt. Der Golfstrom ist ein relativ schneller Strom. An der Küste Nordamerikas erreicht er an der Meeresoberfläche Geschwindigkeiten von etwa 3,6 Kilometern pro Stunde, was einem gemächlichen Fußgängertempo entspricht. Er reicht bis in eine Tiefe von etwa 2000 Metern hinab, wo er etwa zehnmal langsamer fließt, weil der Einfluss des Windes hier geringer und die Dichte des Wassers größer ist. Nichtsdestotrotz kann der Wind durchaus direkt bis hinab in größere Tiefen wirken. So kommt es vor, dass sich für längere Zeit die typischen Windverhältnisse ändern – dass etwa die stetigen Passatwinde über Monate aus anderen Richtungen wehen. Dadurch kann sich der Auftrieb der Wassermassen verändern, wodurch im Innern des Ozeans Wellen mit Strömungen entstehen, die für Jahrzehnte in der Tiefe nachschwingen. Solche Wellen können auch die Meerestemperatur und damit das regionale Klima verändern. Vom Satelliten aus werden die Wellen als langsam wandernde Ausbeulungen der Meeresoberfläche wahrgenommen.
Darüber hinaus verursachen die vorherrschenden Winde in bestimmten Regionen beständige Auftriebs- und Absinkbewegungen. In manchen Gebieten treiben die Winde Oberflächenwasser von den Landmassen weg, sodass kaltes Wasser aus der Tiefe aufsteigen kann. Dort sind daher die Temperaturen an der Meeresoberfläche besonders niedrig. Wichtige Auftriebsgebiete finden sich an den westlichen Rändern der Kontinente, an denen die Winde küstenparallel wehen (Chile, Kalifornien, Namibia). So wird aufgrund der Corioliskraft beispielsweise auf der Südhalbkugel das Wasser nach links von der Küste weggeführt, wenn der Wind aus Süd weht. Dadurch kommt eine Art Walzenbewegung in Gang: An der Oberfläche wird das Wasser wegbewegt, aus der Tiefe steigt Wasser auf. Dieses aufsteigende Wasser ist häufig nährstoffreich, weshalb viele Auftriebsgebiete auch besonders fischreich sind.
Die Corioliskraft Die Erddrehung führt dazu, dass alle freien und geradlinigen Bewegungen wie etwa Luft- oder Wasserströmungen auf der Erde seitlich abgelenkt werden. Die ablenkende Kraft nennt man Corioliskraft oder Coriolis-beschleunigung. Auf der Nord- und Südhalbkugel wirkt sie in entgegengesetzter Richtung. Benannt ist die Corioliskraft nach dem französischen Naturforscher Gaspard Gustave de Coriolis (1792 bis 1843), der sie mathematisch hergeleitet hat.
Der Ozean – der globale Wärmespeicher
Die großen Meeresströme transportieren nicht allein riesige Wassermassen, sondern zugleich auch gigantische Wärmemengen um den Globus. So wie der Wassertank einer Heizungsanlage Wärme aus der Solaranlage auf dem Dach speichert, wirken auch die Ozeane wie ein gewaltiges Wärmereservoir, in dem die Sonnenenergie lange erhalten bleibt. Die großen Meeresströme transportieren diese Wärme über Tausende von Kilometern und beeinflussen damit erheblich, wie der Golfstrom zeigt, das Klima in vielen Regionen der Erde. In den warmen Tropen und in den Subtropen bis etwa zum 30. Breitengrad trifft im Jahresdurchschnitt mehr Wärme auf die Erdoberfläche, als diese abgibt. In den höheren Breiten und zu den Polen hin ist dieses Verhältnis umgekehrt. Die Folge ist, dass die Atmosphäre und die Ozeane zum Ausgleich Energie vom Äquator nach Norden und nach Süden transportieren. In manchen Tropenregionen wie etwa dem Ostpazifik gewinnt das Meer mehr als 100 Watt Wärme pro Quadratmeter – in etwa so viel wie ein Heizkessel liefert, um eine Wohnung behaglich zu machen. In den höheren Breiten gibt das Meer die Wärme wieder ab. Am größten ist der Verlust mit Werten von bis zu 200 Watt pro Quadratmeter vor den Ostküsten Nordamerikas und Asiens sowie in Teilen der Arktis. Im Bereich des Nordatlantiks und des Nordpazifiks geben die Ozeane die Wärme durchaus großräumig ab. Versorgt werden all jene Regionen, in die die großen Stromsysteme das warme Wasser tragen – etwa Europa. Die riesigen Meeresströme transportieren eine maximale Wärmemenge von knapp 3 Petawatt (Billiarde Watt) in Richtung Norden – rund 600-mal mehr, als alle Kraftwerke der Welt zusammen leisten. Aber auch die Atmosphäre trägt zum Energieausgleich zwischen den Tropen und den kälteren, höheren Breiten bei. Sie transportiert weitere 2,5 bis 3 Petawatt Wärme, sodass sich ein nordgerichteter Wärmetransport von insgesamt 5,5 bis 6 Petawatt ergibt. In der Atmosphäre erfolgt der Wärmetransport in europäischen Breiten vor allem durch kreisende Tiefdruckgebiete. Im Atlantischen Ozean sind die Strömungen hingegen sehr viel geordneter, sodass die Wärme direkt nach Norden transportiert wird. Dort strömt warmes Wasser aus den Tropen nordwärts bis weit in den Arktischen Ozean, wo sich das Wasser abkühlt und Wärme an die Umgebung abgibt. Durch die Abkühlung nimmt die Dichte des Meerwassers zu. Es sinkt in die Tiefe und wandert gen Süden. Das atlantische Stromsystem transportiert demnach riesige Mengen Wärme nach Norden. Bei diesem Transport übersteigt der thermohaline den durch die Winde angetriebenen Anteil bei Weitem. Der Atlantik und auch der Pazifik tragen jeweils etwa 1 Petawatt Wärme aus den Tropen und Subtropen in nördliche Richtung. Der Anteil des Indischen Ozeans hingegen ist vernachlässigbar gering.
Dabei nimmt der Atlantik eine Ausnahmestellung unter den Meeren ein. Er ist das einzige Ozeanbecken, in dem der Wärmetransport überall, also auch auf der Südhalbkugel, nach Norden gerichtet ist. Die Tendenz nach Norden kennt jeder Nordwesteuropäer dank des Golfstroms und des Nordatlantikstroms: Das Klima im Bereich des Nordatlantiks, speziell in Nordwesteuropa und auch in Deutschland, ist besonders milde. So sind die Winter in anderen Regionen, die auf denselben Breitengraden liegen, deutlich kälter. In Kanada etwa liegen die Temperaturen im Winter um rund 10 Grad Celsius niedriger als in Westeuropa. Allerdings bewirkt nicht allein die Ozeanzirkulation diese Milde. Auch Luftströmungen tragen erheblich dazu bei. Durch die Verteilung der Gebirge, vor allem die Lage der Rocky Mountains, die sich von Nord nach Süd die nordamerikanische Westküste entlangziehen, und den Einfluss der Corioliskraft entstehen in der Atmosphäre sehr stabile großräumige Wirbel, sogenannte stehende planetare Wellen. Ein solcher Wirbel liegt auch über den USA, weil die Rocky Mountains als Hindernis große Luftmassen ablenken. Ein Teil dieses Wirbels beschert uns im Durchschnitt Westwinde, die relativ milde Luft vom Atlantik bis nach Nordwesteuropa tragen und uns vor der Kälte aus dem Osten schützen.
Zukunft ungewiss – das Meereis
Das Meereis der arktischen Regionen hat einen erheblichen Einfluss auf den Wärmaustausch zwischen Atmosphäre und Ozean, denn es wirkt wie eine Dämmschicht, die die im Wasser enthaltene Wärme zurückhält. Vergegenwärtigt man sich, wie groß die Eisflächen sind, wird deutlich, dass auch sie Auswirkungen auf das globale Klima haben. Im Arktischen Ozean ist das Meereis, das gemeinhin auch als Packeis bezeichnet wird, im Mittel 3 Meter dick. Im Südlichen Ozean misst es im Schnitt etwa 1 Meter. Die Meereisfläche wächst und schrumpft mit den Jahreszeiten. Im Jahresdurchschnitt sind rund 7 Prozent der Ozeane (circa 23 Millionen Quadratkilometer) mit Eis bedeckt, was in etwa der dreifachen Fläche Australiens entspricht. Dagegen sind die Landeismassen relativ stabil. Sie bedecken permanent etwa 10 Prozent der Landoberfläche (14,8 Millionen Quadratkilometer). Wissenschaftler bezeichnen die vereisten Gebiete der Erde als Kryosphäre. Neben dem Landeis und dem Meereis zählt dazu auch das Schelfeis, die ins Meer ragenden Teile kontinentaler Eisschilde. Die Veränderungen des Meereises, wie etwa die Ausdehnung, der Bedeckungsgrad, die Dicke und die Bewegung, werden durch dynamische Prozesse (beispielsweise Meeresströmungen) und durch thermodynamische Prozesse (Gefrieren und Schmelzen) hervorgerufen. Diese wiederum werden durch die Sonnenstrahlung sowie die Wärmeflüsse in den Ozeanen beeinflusst.
Eines der auffälligsten und wichtigsten Merkmale der Klimaschwankungen ist die Veränderung der Meereisausdehnung in den Polargebieten. So reicht das arktische Meereis in manchen Wintern deutlich weiter nach Süden als in anderen. Geophysiker betrachten das Meereis nüchtern als eine dünne, durchbrochene Schicht auf den polaren Ozeanen, die von Wind und Meeresströmungen bewegt wird und sich in ihrer Dicke und Ausdehnung verändert. Meereis bildet die Grenze zwischen den beiden großen und wichtigen Komponenten des Erdsystems, der Atmosphäre und dem Ozean. Es beeinflusst deren Wechselwirkung ganz erheblich. So besitzt Meereis ein hohes Reflexionsvermögen, eine hohe Albedo, und reflektiert einen beträchtlichen Teil des einfallenden Sonnenlichts. Dieser Effekt verstärkt sich noch, wenn Schnee auf dem Eis liegt. Das Meereis beeinflusst also die Strahlungsbilanz der Erde und spielt damit eine wichtige Rolle im Klimasystem.
Der Einfluss des Meereises auf das Klima wird noch dadurch verstärkt, dass es die Atmosphäre und den Ozean voneinander isoliert. So können Wärme und Windenergie zwischen Atmosphäre und Ozean nur sehr schlecht ausgetauscht werden. Über den Meereisflächen ist die Atmosphäre daher deutlich kälter als über dem offenen Ozean. Dadurch verstärkt sich auch der Temperaturunterschied zwischen den Tropen, Subtropen und den Polargebieten. Denn in warmen Regionen steigt Luft verstärkt auf, der Luftdruck sinkt entsprechend. In den sehr kalten Bereichen hingegen lastet die Luft schwer, sodass sich starke Hochdruckzonen bilden. Die ausgleichende Luftströmung zwischen Hoch und Tief ist entsprechend stark und bewirkt im Zusammenspiel mit der Corioliskraft in den mittleren Breiten stärkere Westwinde.
Natürlich beeinflusst das Meereis auch die Konvektion im Ozean und die Bildung von Tiefen- und Bodenwasser. Das Meereis spielt daher eine bedeutende Rolle für die großräumige Ozeanzirkulation, insbesondere für die thermohaline Zirkulation. Wie die globale Erwärmung auf die Meereisbildung und die damit gekoppelten Prozesse genau wirkt, weiß man heute noch nicht. Eis schmilzt, wenn es wärmer wird. Welche Auswirkungen das aber auf die Strömungen hat, lässt sich nur schwer einschätzen. Immerhin simulieren alle Klimamodelle eine beschleunigte Erwärmung in der Arktis bei weiter steigenden Spurengaskonzentrationen.
Zudem beobachtet man in den letzten Jahrzehnten einen deutlichen Rückgang der arktischen Meereisbedeckung. Dabei spielt die sogenannte Eis-Albedo-Rückkopplung eine Rolle, eine positive Rückkopplung. Helle Oberflächen besitzen eine recht große Albedo. Wenn sich das Meereis infolge der globalen Erwärmung also zurückzieht, verringert sich die Albedo und es steht mehr Sonnenenergie zur Verfügung, die zu einer zusätzlichen Erwärmung führt, wodurch noch mehr Eis schmilzt. Dieser Prozess wirkt sich vor allem am Rand des Meereises aus. Ähnlich wie die dunkle Grasnarbe an den Rändern einer löchrigen Schneedecke erwärmt sich das Meerwasser am Eisrand stärker, sodass das Eis dort schneller abtaut. Je weiter sich das Eis zurückzieht, desto größer wird wiederum die freie, relativ dunkle Meeresfläche. Das Abschmelzen verstärkt sich.
Das Schrumpfen des Meereises könnte den Klimawandel künftig also noch verstärken. Ironischerweise beschert er dem Menschen aber etwas, wovon er schon lange träumt – die Öffnung des nördlichen Seewegs von Europa über die Arktis nach Asien: die Nordostpassage. In den vergangenen Jahren hat sich das Eis im Sommer so weit zurückgezogen, dass die arktischen Gewässer entlang der russischen Nordküste künftig durchgängig von Handelsschiffen durchfahren werden könnten – eine Strecke, die um mehrere Tausend Kilometer kürzer als die Fahrt durch den Suezkanal ist. So hat erst im Frühherbst 2009 eine Bremer Reederei als eines der ersten Privatunternehmen weltweit die Nordostpassage mit einem Handelsschiff durchfahren. Doch die harten Konsequenzen des Klimawandels werden vermutlich schwerer wiegen als die Vorteile einer befahrbaren Nordroute – auch die negativen Folgen für arktische Lebewesen wie etwa den Eisbären, dessen Lebensraum wegschmilzt, sind beträchtlich. Die großen Meeresströmungen und ihre Antriebskräfte sind heute gut erforscht. Im Detail aber bleiben noch viele Fragen offen. Noch hat man beispielsweise die thermohaline Zirkulation und das Wechselspiel der treibenden Kräfte nicht restlos aufgeklärt. Verschiedene mathematische Modelle kommen zu verschiedenen Ergebnissen. Zwar nutzen alle Modelle dieselben Gleichungen, Messgrößen und Eingabeparameter. Es ist aber schwierig, kleinräumige Klimaeinflüsse auf regionaler Ebene richtig einzuschätzen und korrekt in die großen, globalen Modelle zu übertragen.